Jahresbericht 2022

Unsere
neue
Gemeinschaft

Portrait

„Im Vordergrund steht ein selbstbestimmtes Leben“

Gesichter einer nachhaltig lebenswerten Gesellschaft

Hannelore Ströder, 85, wohnt seit drei Jahren in Hamburg in der Wohngemeinschaft Dallbregen für Menschen mit Demenz. Sie fühlt sich wohl an diesem besonderen Ort der Gemeinschaft. Ihr Sohn Alfred weiß sie hier gut aufgehoben und ist dankbar, dass es Einrichtungen wie Dallbregen gibt.

Hannelore Ströder, 85, wohnt seit drei Jahren in der Hamburger Wohngemeinschaft Dallbregen für Menschen mit Demenz.
Ihr Sohn Alfred begleitet sie und ist dankbar, dass sie sich hier wohl fühlt.

„Schon allein der Begriff ‘Wohngemeinschaft‘ ist nicht einfach zu verarbeiten“ sagt Alfred Ströder: „Das ist in den Augen der Generation 70 plus eher etwas für junge Leute, für Student:innen oder Berufsanfänger:innen. Deswegen war meine Mutter auch zuerst skeptisch. Nicht lange allerdings. Inzwischen fühlt sie sich hier sehr gut aufgehoben. Kein Wunder, schauen Sie sich um: Die WG ist das Beste, was ihr in ihrer Situation passieren konnte.“

Tatsächlich wirkt die Demenz WG-Dallbregen im Hamburger Westen wie ein fröhlicher und lebendiger Ort. Helle, warme Farben bestimmen den Eingangsbereich des Neubaus, der im August 2020 bezogen worden ist. Eine der Bewohnerinnen, Hildegard, spaziert in Begleitung von Ergotherapeutin Maren mit einem Rollator durch die lichtdurchfluteten Gänge. „Immer in Bewegung bleiben“ kommentiert sie das „Training“ selbstvergessen und lächelt, aufgemuntert durch die freundlichen Bestätigungen von Maren. Gleich hinter der Tür im Eingangsbereich des Gebäudes hängen Porträt-Fotos der Bewohner:innen: Lydia, Marianne, Wolfgang, Ekaterine, Ida, Gisela, Hildegard und eben Alfreds Mutter Hannelore. So eine Gemeinschaft im Alter sei ein Glücksfall für die maximal zehn Bewohner der WG, sagt Alfred Ströder: „Niemand fühlt sich allein, schon die überschaubare Größe der Einrichtung sorgt dafür, dass man sich wiedererkennt und sicher miteinander fühlt.“

Menschen mit Demenz haben unterschiedliche, vom Stadium der Erkrankung abhängige Bedürfnisse. Schutz, Geborgenheit und ein strukturierter Alltag werden immer wichtiger.

Nach neuesten Berechnungen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft leben in Deutschland rund 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung. Im Laufe des Jahres 2021 sind etwa 440.000 Menschen neu an Demenz erkrankt. Tendenz steigend. Bei Hannelore Ströder begann die dementielle Veränderung im Jahr 2018. „Es kam zu Vorfällen, die meiner Schwester und mir zeigten: Das ist jetzt ein wenig mehr als nur ‘Hannelore wird tüddelig‘. Uns war klar, dass unsere Mutter nicht mehr allein bleiben konnte – und sie selbst zu pflegen, war für uns aus mehreren Gründen nicht möglich. Wir wollten sie aber auf keinen Fall in eine Pflege-Einrichtung stecken, in der sie als Person nicht mehr richtig wahrgenommen wird.“ Alfred Ströder erfuhr von Wohngemeinschaften, in der ausschließlich an Demenz erkrankte Menschen leben. So stieß der IT-Fachmann auf die Einrichtung des Kirchenkreises Hamburg-West/Südholstein. Die Evangelische Bank hatte den Neubau finanziert und über den Kreditvertrag langfristig Planungssicherheit für das Projekt geschaffen. Doch es geht in diesem Fall um noch viel mehr: Direkt nebenan hat der Kirchenkreis eine Kindertagesstätte mit 72 Plätzen gebaut, dazu kommen seniorengerechte Wohnungen und ein Neubauprojekt mit 850 weiteren Wohnungen. So werden die Bewohner der Wohngemeinschaft Dallbregen in ein tolles soziales Umfeld eingebunden – ein Ort der Gemeinde und der Gemeinschaft mitten im Leben.

Knapp 1,2 Millionen Demenz Erkrankte sind Frauen und 0,6 Millionen Männer. Infolge des demographischen Wandels nimmt die Zahl weiter zu. Gelingt kein Durchbruch in Prävention oder Therapie, könnten nach aktuellen Schätzungen in Deutschland im Jahr 2050 bis zu 2,8 Millionen Menschen im Alter 65 plus erkrankt sein.1

„Der Tagesablauf, die Gestaltung der Räume, all das, was ein relativ unabhängiges Leben ausmacht, steht hier im Vordergrund“

Alfred Ströder

Ein vielfältiges Gemeinschaftsprojekt

Vor allem die Selbstbestimmung sei ein Vorteil gegenüber einem herkömmlichen Pflegeheim. „Der Tagesablauf, die Gestaltung der Räume, all das, was ein relativ unabhängiges Leben ausmacht, steht hier im Vordergrund“, sagt er. Die Mitarbeiter:innen des HSP Pflegedienstes unterstützen die WG-Mitglieder im Alltag – und sorgen rund um die Uhr für die individuell notwendige Pflege und medizinische Versorgung. Beschäftigt werden sie von den „Zugehörigen“, wie Alfred Ströder die Familienmitglieder und Freund:innen nennt, die die rechtliche Betreuung der Bewohner:innen übernommen haben. Die Bezeichnung treffe es, weil ja nicht jede:r Familie habe. Im Fall einer Bewohnerin hat sogar die Stadt Hamburg diese Aufgabe übernommen. Gemeinsam kümmern sich alle auch um die Abläufe, die den Betrieb der WG sichern. Bei Fragen hilft die Koordinationsstelle der Stattbau Hamburg – eine Stadtentwicklungsgesellschaft, die sich seit 1985 mit den Themen gemeinschaftliches Bauen und Wohnen in der Hansestadt beschäftigt.

Im großen Aufenthaltsraum hängen Luftschlangen von der Decke, auch der Tisch ist noch festlich gedeckt. Bewohnerin Lydia hatte Geburtstag, 97 Jahre ist sie geworden. Marianne sitzt neben ihr, noch die Reste vom Mittagessen auf dem Tisch vor sich. Der Menüplan der ganzen Woche hängt an der Wand. Wenn die Bewohner:innen Lust haben, können sie sich auch am Kochen beteiligen. Von der Bratwurst bis zum Hähnchen Curry und Shakshuka ist alles dabei.

Alfred Ströder verbringt mehrere Stunden in der Woche vor Ort, kümmert sich um seine Mutter und nebenbei um alle technischen Probleme. So wie er haben alle Zugehörigen Aufgaben, für die sie verantwortlich sind. Garten- oder Öffentlichkeitsarbeit, kleinere Hausmeisterjobs – alles ist miteinander geregelt.

Bis zum Jahr 2040 wird ein Anstieg der Pflegebedürftigen aus insgesamt 5,59 Millionen Personen prognostiziert. Trotz bevorzugter Pflege zu Hause wird die Versorgung durch Angehörige langfristig zurückgehen, da die Kinder- und Ehegattenpflege sinkt. Pflege-WGs als Nischenmarkt gewinnen dadurch an Bedeutung. Aktuell gibt es in Deutschland rund 3660 Wohngruppen, in denen ca. 36.870 Plätze angeboten werden.2

Laut aktueller Berechnung sind

1,7 Mio. Menschen

mit Demenz 65 Jahre alt oder älter.3

„Ich will schließlich das Beste für meine Mutter. Am Ende geht es doch darum, sie als Mensch wahrzunehmen und um genau das: ein gutes Gefühl.“

Alfred Ströder

Individuelle Bedürfnisse, gemeinsame Aktionen

Alle Zimmer in der WG sind großzügig geschnitten, jedes verfügt über ein eigenes Badezimmer. Die Einrichtung stellt je nach Grad der Demenz und den Bedürfnissen individuelle Unterstützungsangebote für die Zimmereinrichtung zur Verfügung. Im Zimmer von Hannelore Ströder mit der bodentiefen Fenstertür, die hinaus in den kleinen Garten führt, überwiegt medizintechnisches Equipment. Bei Bewohnerin Marianne stehen Fotos der Kinder und der Enkel auf dem Sims, Stilmöbel und ein gemütlicher Sessel. An der Wand hängen ein Wimpel von Bayern München, einige Ölbilder, farbige Stillleben. Und das große Foto eines weißen Labradors, der in ein Schwimmbecken springt.

Zum Betreuungskonzept gehört viel Zuwendung und Zeit für die Gemeinschaft. Einmal im Monat sollen Bewohner:innen, Pflegedienst und alle Zugehörigen demnächst wieder an einer langen Tafel zusammenkommen, um gemeinsam zu essen und sich zu unterhalten. „Das ist gut für den Zusammenhalt“ sagt Alfred Ströder, „und sehr wichtig für die Bewohner:innen in ihrer Situation.“ Dann hält er einen Moment inne und sagt: „Ich will schließlich das Beste für meine Mutter. Am Ende geht es doch darum, sie als Mensch wahrzunehmen und um genau das: ein gutes Gefühl.“ Und zwar auch in seiner Situation.

Demenz-WG

Die Evangelische Bank hat im Jahr 2022

~155 Mio. €

an Neukrediten im Bereich Pflege gewährt.

Kirchenkreis und Evangelische Bank arbeiten seit vielen Jahren partnerschaftlich zusammen. Neben einer langen Laufzeit für den Kreditvertrag wurde die Einrichtung dabei unterstützt, in der Förderlandschaft zu navigieren und die besten Ergebnisse zu erzielen. Frühzeitig wurden alle Beteiligten, die Stattbau gGmbH, der Kirchenkreis Hamburg-West Südholstein, lokale Kirchengemeinden und die Diakonie in Planungsszenarien eingebunden. Mitarbeit und Unterstützung wurde organisiert und die verschiedenen Interessen zusammengeführt. Die Wohngemeinschaft Dallbregen zeigt, was es heißt, „eine nachhaltig lebenswerte Gesellschaft“ zu gestalten.

Quiz

Was macht das Leben in einer Demenz-WG wie Dallbregen so besonders?
Mehrfachnennungen möglich

Glückwunsch, diese Antwort ist richtig.

Diese Antwort ist leider falsch.
Probieren Sie es gerne noch einmal.

Noch mehr Geschichten

Unser neues Zuhause

„Wir können hier gemeinsam leben und füreinander da sein“

Zur Story

Noch mehr Geschichten

Mein neuer Arbeitsplatz

„Da ist es leicht, Freude weiterzugeben“

Zur Story

Noch mehr Geschichten

Mein neuer Job

„Ich arbeite hier an der Zukunft mit“

Zur Story
zurück nach oben